Das autonome Nervensystem verstehen – Grundlagen der Selbstregulation
- Barbara Fereberger

- 27. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Nov.
Warum Körperwissen die Basis für Stabilität und Präsenz ist

In der Arbeit mit Menschen, die Belastung oder Stress erleben, stoßen wir immer wieder auf ein zentrales Thema: Regulation.
Ob in Pädagogik, Beratung oder Therapie – wir können nur so gut begleiten, wie wir selbst in Kontakt mit unserem Nervensystem sind. Doch was bedeutet das eigentlich? Und warum spielt das autonome Nervensystem dabei eine so entscheidende Rolle?
Ein System, das ohne unser Zutun arbeitet
Das autonome Nervensystem (ANS) steuert unbewusst lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag oder Verdauung. Gleichzeitig ist es aber auch das System, das darüber entscheidet, ob wir uns sicher, angespannt oder bedroht fühlen.
Es reagiert blitzschnell – noch bevor der Verstand begreift, was passiert.
Stephen Porges, der Begründer der Polyvagal-Theorie, beschreibt das ANS als „inneres Sicherheitssystem“. Es lauscht permanent auf Signale in uns und um uns herum – Gesichtsausdrücke, Geräusche, Bewegungen, den Tonfall einer Stimme – und ordnet sie ein: Bin ich hier sicher? Diese Einschätzung bestimmt, wie wir uns fühlen, denken, handeln und in Beziehung treten.
Drei Zustände – ein ständiges Wechselspiel
Unser autonomes Nervensystem arbeitet auf drei Ebenen:
Ventral-vagaler Zustand: Sicherheit, soziale Verbundenheit, Offenheit.
Sympathische Aktivierung: Kampf- oder Fluchtmodus – Energie für Handlung, aber auch Stress.
Dorsal-vagaler Zustand: Rückzug, Erstarrung, Energiesparen bei Überforderung.
Gesund ist nicht ein „immer ruhiger“ Zustand, sondern die Fähigkeit, flexibel zwischen diesen Zuständen zu wechseln – je nach Situation.
Wenn wir nach einer Belastung wieder in Ruhe kommen, spricht man von Regulationsfähigkeit.
Diese Flexibilität ist kein Zufall. Sie entwickelt sich in Beziehungen – durch Co-Regulation in Kindheit und Erwachsenenalter. Das erklärt, warum Sicherheit kein kognitiver Entschluss ist, sondern ein körperlich erfahrbarer Zustand.
Wenn Regulation verloren geht
Unter chronischem Stress oder Trauma verliert das Nervensystem seine Beweglichkeit.
Es bleibt in einem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft oder Rückzug „stecken“.
Körperlich zeigt sich das in Symptomen wie Anspannung, Schlafproblemen, Erschöpfung oder Gefühllosigkeit – psychisch in Gereiztheit, Angst oder innerer Leere. Das bedeutet nicht, dass „etwas kaputt“ ist – sondern dass das System versucht, zu überleben. Diese Perspektive verändert alles: Statt Defizite zu korrigieren, unterstützen wir in der neurosomatischen Arbeit die Wiederherstellung von Regulation.
Warum Wissen allein nicht genügt
Viele Fachkräfte kennen die theoretischen Modelle des Nervensystems – doch entscheidend ist, wie dieses Wissen verkörpert wird. Erst wenn ich die physiologischen Signale in meinem eigenen Körper wahrnehme, kann ich sie auch beim Gegenüber erkennen.
Das ist gelebte Selbstregulation: zu spüren, wann ich aktiviert bin, wann ich mich zurückziehe – und wie ich wieder in Kontakt komme. Im Training oder in Supervisionen beobachten wir oft, wie sich durch einfache Wahrnehmungsübungen die Atmosphäre im Raum verändert:
Der Atem vertieft sich, Schultern sinken, Stimmen werden ruhiger. Das Nervensystem reagiert – nicht auf Worte, sondern auf Signale von Sicherheit.
Selbstregulation als Kompetenz
In der TAKT Weiterbildung bilden diese Erfahrungen die Grundlage.
Fachkräfte lernen, den Körper als Wegweiser zu verstehen – nicht nur bei Klient:innen, sondern auch bei sich selbst.
Die Arbeit mit dem autonomen Nervensystem ist kein Spezialthema, sondern eine Grundhaltung:
ein Bewusstsein dafür, dass Veränderung über Regulation geschieht.
Sich selbst gut zu regulieren bedeutet, präsent zu bleiben, auch wenn das Gegenüber in Not ist.
So entsteht ein Raum, in dem Sicherheit nicht erklärt, sondern spürbar wird.
Hinweis:
Die Weiterbildung in TAKT Neurosomatische Integration® vermittelt ein tiefes Verständnis des autonomen Nervensystems und seiner Dynamiken. Fachkräfte lernen, Selbst- und Co-Regulation im beruflichen Alltag anzuwenden – als Basis für Sicherheit, Präsenz und Wirksamkeit.
Mehr unter www.neurosomatische-integration.at



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